Eduard Beurmann „Aphorismen über die Deutsche Bühne” (1838)

von | 12/06/2021

Quelle: Eduard Beurmann „Aphorismen über die Deutsche Bühne (Fortsetzung)“, in: Telegraph für Deutschland 71 (Mai 1838), S. 562-563.

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Was von dem Deutschen Drama und der Tragödie gilt, das bemerken wir mehr, oder weniger auch bei dem Lustspiel. Die Periode Kotzebue war insofern wahr und natürlich, als sie die groben Umrisse der Gesellschaft schilderte: Krähwinkelei, Bocksbeutelei, plumpes Vorurtheil des Adels, Geckenhaftigkeit, Scheinheiligkeit, Einfalt, mit einem Worte alle Schattenseiten, die sehr in die Augen sprangen, und das war schon gut; denn Deutschland litt an dieser Misere noch beinahe bis 1830 außerordentlich. Wo es sich aber um Rechtschaffenheit und Tugend handelte, da wurde Kotzebue, charakterlos wie er war, sofort sehr sentimental und theatralisch, und wollte er gar eine Unschuld schildern, so war es zum Davonlaufen. „Kriegt Gurly denn auch Kinder?“ Aber außerdem vermochte Kotzebue auch in negativer Hinsicht nicht die feineren Beziehungen der Gesellschaft zu erfassen, den Schwächen nachzuspüren, war seine Sache nicht, er schöpfte durchaus von der Oberfläche, was er sah, das schilderte er mit grobem Pinsel, Kotzebue verhielt sich zu Molière, wie Paul de Kock zu Balzac, oder Georges Sand, nur war er weit einseitiger als jener: Kotzebue traf, wie gesagt, die Epiciers nur in ihren Lächerlichkeiten, ihre gute Seite war stets von ihm erfunden. Nichtsdestoweniger war Alles Leben in seinen Lustspielen, wenn auch oft nur Coulissenleben. Raupach dagegen, der moderne Zustände erfaßte, opferte die Intensität dem Witze, die Personen seiner Lustspiele machen sich alle über sich selbst lustig, statt daß sie es dem Publikum überlassen sollen. Dem Witze ist hier der Charakter untergeordnet, dem Commentar die Handlung: Alle diese Figuren müssen etwas thun, damit Till seine Glossen darüber machen kann, und von Selbstständigkeit und Leben kann somit gar keine Rede seyn. Kotzebue hielt sich wenigstens mit seinem Lustspiel so lange auf der Bühne, als jene Zustände, die er zur Anschauung brachte, in dem gesellschaftlichen Leben hervorragend waren, jetzt freilich wird man seine Deutschen Kleinstädter kaum noch in Bremen charakteristisch finden; Raupach dagegen wird sich nur kurze Zeit halten, er war eine kurze Zeit Mode, wie jeder Witz, der sich über Wahrheit und Leben stellt.

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