Unter Papageien – Erinnerungen des dänischen Schriftstellers Knud Lyne Rahbek an August von Kotzebue in Berlin (1789)

von | 10/05/2021

Quelle: Erinnerungen aus meinem Leben von K. L. Rahbek, Königl. dänisch. Professor, Mitdirector der königlichen Schauspiele zu Copenhagen, Ritter vom Danebrog. Aus dem dänischen Original ausgezogen und in‘s Deutsche übertragen von L. Kruse. Zweiter Theil. Leipzig, bei August Lehnhold. 1830, S. 225-226.

Noch kann ich einen merkwürdigen Mann nennen, den ich in Berlin kennen lernte; nämlich Kotzebue, der so eben, durch das Aufsehen, welches sein Menschenhaß und Reue damals in seiner Neuheit auf allen Bühnen Deutschlands erregte, als ein großes Licht an dem Bühnenhimmel[1] hervorstrahlte. Daß wir uns einander mit dem günstigsten aller Vorurtheile naheten, will ich eben nicht behaupten. Ich hatte es nicht verschwiegen, daß die Darstellung dieses Stückes in Hamburg größeres Verdienst, als das Stück selbst besaß; so wie ich auch die Kühnheit gehabt hatte, zu -äußern, daß, an der berlinischen Darstellung desselben, die ungeheures Glück machte, und die Kotzebue bis in die Wolken erhob, es nur an zwei Kleinigkeiten, nämlich dem Meinau an Menschenhaß und der Eulalia an Reue fehlte; und da Lange, dem ich diese Bemerkung eigentlich nur freundschaftlich mitgetheilt hatte, sie in einer Gesellschaft der Sängerin Niclas (?) erzählte, und ich sie nie verläugnete, durchlief sie schnell das ganze dramatischgesinnte Berlin. Auch wurde der nicht ganz günstige Eindruck, den mehrere Stellen in Kotzebue’s Schauspiel in Beziehung auf den Verfasser auf mich gemacht hatten, wohl nicht dadurch vermindert, daß Kotzebue, als ich ihm von Darbes vorgestellt wurde, mich ungefähr so, wie der Hierophant den Neophyten, aufnahm. – Von alten Freunden besaß ich in Berlin den seelenguten Mylius, meine brave Böheims und den wackern Fleck, der gutmüthig genug war, mir den Sarkasmus von Meinau’s fehlendem Menschenhaß nicht übel zu nehmen, so wie er auch überhaupt den ganzen Schwarm häuslicher Stücke nicht liebte; sondern sich zu höheren Sphären berufen fühlte, die ihm Schiller zu eröffnen angefangen hatte. Einen höchst ergötzlichen, vielleicht den ergötzlichsten Abend, während meines Aufenthaltes in Berlin, genoß ich bei ihm in Gesellschaft mit Engel, Kotzebue, Schink und Lange; besonders ist mir dieser unvergeßlich wegen Engels einzig komischer Erzählung einer Audienz, die er, nach der Bekanntmachung seines ersten Schauspieles, bei einer alten Oberhofmeisterin gehabt hatte, die ihn ihrer Fürstin, welche einen Schriftsteller, den sie schätzte, persönlich kennen lernen wollte, vorzustellen hatte. Ihro Gnaden hatten ihn unter ihren Papageien empfangen, und da sie in ihrer hochwohlgebornen Unwissenheit gar nicht wußte, was sie zu so einem Schriftsteller, der ihr in ihrer Praxis kaum je vorgekommen war, sagen sollte, hatte sie ihre Repliquen unter die Papageien und ihn vertheilt. Dieß führte Engel so original komisch aus, daß ich – ein Paar ähnliche Vorträge, die ich in meiner Jugend von Ewald gehört habe, mit dem Engel überall viel Aehnlichkeit hatte, ausgenommen – mich nicht erinnere, dergleichen je gehört zu haben. Kotzebue hat dieselbe Scene in seiner Cora benutzt, allein das so außerordentlich Belebte, welches die Verlegenheit der Oberhofmeisterin, mit einem gelehrten Rotürier sprechen zu müssen, hineinbrachte, und ihre hochadeliche Herablassung, wenn sie ihn anredete, im Gegensatz zu ihrer schwesterlichen Herzlichkeit, im Geschwätz mit den Papageien, war Kotzebue nicht im Stande wiederzugeben.


[1] Und ist er es denn, trotz aller gerügter Fehler, nicht noch immer? Welcher Deutsche hat ein wahreres Lustspiel, als seinen Rehbock, geschrieben? A. d. U.

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