“Der Shawl” und “Die Versöhnung” von August von Kotzebue im Stadttheater Hamburg

von | 10/07/2021

Quelle: [anonym:] “Hamburger Stadt-Theater”, in: Telegraph für Deutschland 104 (Juni 1840) S. 416

Der Shawl, einaktiges Lustspiel von Kotzebue, ist ein Lieblingsstück junger Schauspielerinnen, die vornehme Gönner haben. Es kommt darin ein Shawl vor, der 100 Louisd’ors kostet und jede Schauspielerin, die darin einen nicht kostbareren, als höchstens zu 50 Thalern zu entfalten hat, wird lächerlich. Das Lustspiel ist schon manchem Anbeter junger Theaterprinzessinnen theuer zu stehen gekommen. Indessen haben wir nicht nach dem Shawl der Madame Lenz, sondern nach ihrem Spiel zu fragen. Es war interessant, aber nicht interessirt genug. Die kindische Sucht, einen schönen Shawl zu bekommen, trat nicht jugendlich naiv genug hervor, doch ist Mad. Lenz eine Schauspielerin, die für jede Rolle, die sie spielt, Routine und Aplomb genug besitzt, um ihr die besten Seiten abzugewinnen. Herr Burmeister war recht brav, nur erzeugt das Rudern nach Applaus sehr oft Schiffbruch. Wozu wohl das ewige Trachten nach jener lärmenden Unterbrechung des Spiels, welche manche Darsteller für Beifall halten, während es doch dem Publikum manchmal nur darum zu thun scheint, zu zeigen, daß es da ist und zuhört! Weiter ist dies Anschlagen mit den Stöcken und Regenschirmen doch oft wahrlich nichts.

In der Versöhnung war Herr Burmeister ganz tüchtig. Dies alte Lustspiel gehört zu den besteinstudirten Lückenbüßern unseres Repertoires und giebt den HH. Lenz, Gloy, Schäfer u.s.w. immer noch gute Gelegenheit, zu gefallen. Schade, daß man Dem. Weißbach ausnehmen muß, die den Ton der Jungfrau von Orleans auf alle weiblichen Charaktere überträgt. Nach einer Scene, wo in einem Meere von Thränen und Rührung, Aufopferung und deutscher Treue eine Tabackspfeife, ein Geburtstagskuchen und alte Seemannsflüche schwimmen, wurden die wackern Darsteller Lenz und Gloy gerufen. Es bleibt wahr: der Kotzebue hat’s verstanden!

Blog

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner