Brief August von Kotzebues an Baron Peter von Braun in Wien (1797)

von | 15/04/2021

Originalhandschrift: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg „Carl von Ossietzky“
Autographen der Hamburger Theatersammlung
Signatur: AHT : 33/1 : 20 : Bl. 1-6
August von Kotzebue an Baron Peter von Braun in Wien
Jewe, 12.07.1797. – 1 eigenh. Br.; 6 Bl.
Identifizierung des Adressaten und Transkription: Rolf Haaser

***

Jewe, d. 12ten July. 1797.

Hochwohlgebohrner Herr Baron!

Hochzuverehrender Herr!

Ew. Hochwohlgeb. gütiges Zutrauen, verbunden mit dem Andenken an Einen der wackersten Männer und liebenswürdigsten Dichter, könnte auch wohl einen mittelmäßigen Kopf begeistern, etwas nicht ganz alltägliches zu leisten; mit Dank und Freude übernehme ich daher den Auftrag, eine Inschrift für das Monument zu verfertigen, welches Sie dem braven Alxinger setzen wollen. Nur muß ich vorher um Beantwortung folgender Fragen bitten:

Wie lang darf die Inschrift seyn? – aus wie vielen Zeilen oder Worten darf sie bestehen? Soll sie nur auf Einer Seite des Monumentes stehen? oder auf mehreren? da aus der Zeichnung nicht ganz deutlich zu ersehen, ob die drey übrigen Seiten bestimmt sind leer zu bleiben oder nicht. – Wie ist endlich der Platz beschaffen, auf welchen das Monument zu stehen kommt? Denn auch hier könnte das Locale vielleicht zu einigen Ideen Veranlassung geben. Der Pilgerstab, den ich auf der Zeichnung bemerke, ist sehr schön angebracht, und könnte vielleicht auch eine glückliche Beziehung veranlassen.

Schon der Gedanke, dem Hn. v. Alxinger ein Denkmal zu errichten, und zwar ein Denkmal der Freundschaft zwischen Ihnen und dem Verstorbenen, hat mich mit neuem Vertrauen zu Ew. Hochwohlgeb. erfüllt, und wenn ich auch nicht das Glück haben sollte, in nähere Verbindung mit Ihnen zu kommen, so hat doch dieser einzige schöne Zug Ihres Characters, diese warme Herzlichkeit eines Mannes von so vielen Geschäften, (die sonst wohl zuweilen das Gefühl abzustumpfen pflegen) Ihnen meine Hochachtung und Liebe für immer zugewendet.

Was nun den Posten eines Hof-Theatral-Secretairs betrifft, so erlauben mir Ew. Hochwohlgeb. mich darüber mit bescheidener Freymüthigkeit zu erklären. Da H. v. Alxinger diesen Posten für 1500 fl. verwaltet hat, und ich nur hoffen, aber nicht behaupten darf, die Verdienste meines Vorgängers zu erreichen, so mögte es fast zu dreist scheinen, wenn ich diesen Gehalt für unzureichend erkläre. Nur bitte ich Ew. Hochwohlgeb. darauf Rücksicht zu nehmen. daß:

Erstens: H. v. Alxinger das Journal, dessen Sie erwähnen, nicht geschrieben. Ein solches kritisches Journal, wenn es seine mannichfaltigen Zwecke erreichen soll, muß mit nicht geringer Anstrengung der Geisteskräfte geschrieben werden. Es würde mir einen sehr großen Theil meiner Zeit wegnehmen; eine Zeit, in der ich wenigstens zwey Schauspiele schreiben, und folglich, gering gerechnet, 1000 fl. verdienen könnte. Rechnen Sie nun noch dazu die mit einem solchen Werke verknüpften Unannehmlichkeiten, da man sich, auch durch den bescheidensten Tadel, immer Feinde zuzieht, und Sie werden es gewiß billig finden, wenn ich für diesen ansehnlichen Zuwachs von Geschäften, auch einen Zuwachs der Besoldung wünsche und erwarte.

Zweytens würde ich jährlich Ein oder Zwey Schauspiele, (nach dem meine übrigen Geschäfte es mir erlaubten) der Bühne unentgeldlich liefern. Diese haben Ew. Hochwohlgeb. bis jezt mit 50 und 40 # bezahlt, eine Ausgabe, welche die Casse in Zukunft ersparen würde, und auch in dieser Rücksicht dürfte ich also einen vermehrten Gehalt hoffen.

Drittens war H. v. Alxinger, wo ich nicht irre, unbeweibt, ich aber habe Frau und Kinder, und bedarf daher mehr zu einem anständigen Auskommen.

Alles dieses zusammen genommen, läßt mich hoffen, daß Sie meine Erwartung nicht überspannt finden werden, wenn ich um einen Gehalt von 2500 fl. bitte. Eine Verringerung dieser Summe würde meine Lage mir nicht verstatten, und wenn ich bedenke. daß der König v. Preußen Hn. Iffland 3000 Thaler, also 5400 fl. zugesteht, wofür er (seinen Beruf als Schauspieler ausgenommen) gewiß weniger leistet, als ich zu leisten verbunden seyn würde; so wäre es ein unverzeihliches Mißtrauen von meiner Seite in die Großmuth Ihres liebenswürdigen Monarchen, wenn ich befürchtete, er werde meine Foderung übertrieben finden.

Meine zweyte Bitte wird hoffentlich noch weniger Schwierigkeiten finden. Diese betrifft nemlich einen meinem jetzigen Range angemessenen Titel. Ich bin nicht allein selbst ein Edelmann, sondern habe auch eine Frau aus einer unsrer Ersten Familien geheyrathet. Ich war 10 Jahre lang Präsident eines Appellations Gerichtes, und als ich meinen Abschied nahm, erhielt ich von unserer verstorbenen Monarchin den Titel eines Collegien Assessors, welcher mir den Rang eines Prémier Majors giebt. Ich würde daher theils mir selbst, theils meinen Kindern zu nahe zu treten glauben, auch den zahlreichen Verwandten meiner Frau Veranlassung zur Unzufriedenheit geben, wenn ich nicht mit einem, meinem jetzigen Range angemessenen Titel in K. K. Dienste träte. Ich verlange nicht mehr zu seyn, als ich jezt bin, aber auch nicht weniger, und ich hoffe, Ew. Hochwohlgeb. werde dieses Verlangen billig finden, da es übrigens auf meine Verhältnisse nicht den geringsten Einfluß haben würde.

Drittens fürchte ich freylich wohl, daß meine weite Entfernung von Wien, mich zwingen würde, der Kasse durch ein nicht geringes Reisegeld beschwerlich zu fallen; denn wenn ich auch auf meine eigenen Kosten, die gewiß beträchtlich seyn würden, die zu meiner Reise mit Frau und Kindern nothwendige Equipage mir anschaffte; so würde doch ein Weg von 300 Meilen mit Familie sich schwerlich ohne eine Summe von 200 # zurücklegen lassen; ja selbst bey dieser Berechnung würde noch ein Zuschuß von meiner Seite nothwendig seyn, zu dem ich mich auch willig verstehe.

Besässe ich nicht selbst einiges Vermögen, so würde die Noth mich zwingen, auch noch die großen Kosten geltend zu machen, die ein neues Etablissement an einem fremden Orte jederzeit mit sich führt; aber ich schweige davon, um der Realisirung meiner Wünsche so wenig als möglich Hindernisse in den Weg zu legen.

Sollten nun diese Bedingungen nicht abschreckend für Ew. Hochwohlgeb. seyn, so darf ich auf der andern Seite wohl dem Bewußtseyn Raum geben, daß ich im Stande seyn würde, unter Ihrer Leitung, manches Gute für die Wiener Schaubühne zu stiften. Denn es versteht sich nicht allein von selbst, daß ich, in Ansehung der strengen Wachsamkeit, welche auf der Bühne herrschen muß, ganz einstimmig mit Ihnen denke – (da so manche meiner vormaligen Ideen über speculative Sätze, durch die neuern Weltbegebenheiten nur all zu unsanft berichtigt worden sind, welches auch bereits auf alle meine neueren Stücke einen sichtbaren Einfluß gehabt hat) – sondern ich würde auch im Stande seyn, wenn ich erst das Locale in der Nähe kennen gelernt und Bemerkungen über den Character und die Denkungsart des Publicums gemacht hätte, Stücke zu schreiben, die ganz eigentlich für das sittliche und moralische Bedürfniß der Wiener eingerichtet wären. Und wenn auch hin und wieder die Neuheit meiner Lage mich verführen würde, etwas zu schreiben, was gerade für dieses Publicum nicht ganz schicklich wäre; so habe ich das Vertrauen zu Ew. Hochwohlgeb., daß Sie mich in solchen Fällen gern zurecht weisen würden. Überhaupt würde ich mich bestreben, nicht blos der Nachfolger des H. v. Alxinger im Amte, sondern auch in Ihrer Gewogenheit zu seyn, und gelänge es mir, diese zu erwerben, so wäre ich wohl vor jedem Straucheln gesichert.

Wenn nach dieser meiner freymüthigen und wahrhaften Erklärung Ew. Hochwohlgeb. bey dem schmeichelhaften Gedanken beharren, mich in Ihren Würckungs Kreis zu ziehen, so ersuche ich Sie gehorsamst:

mich Erstens von allen meinen obliegenden Geschäften zu unterrichten.

mir Zweytens die Einrichtung des erwähnten Journals etwas näher zu detailliren: ob es, außer den angezeigten Artikeln, weiter nichts enthalte? ob es wöchentlich oder monatlich erscheine? wie viele Bogen es betragen soll? u.s.w.

mir drittens zu bestimmen, wann etwa ich aufs Späteste in Wien eintreffen müßte?

und endlich, mir einen sichern Mann nahmhaft zu machen, an den ich mich, um Beantwortung mancher öconomischer Anfragen mit Zutrauen wenden könnte; da ich es nicht wage, Ew. Hochwohlgeb. damit zu behelligen.

Schließlich muß ich nochmals gehorsamst bitten, meine gemachten Bedingungen mir in Rücksicht auf meine individuelle Lage zu beurtheilen, und, wenn Sie dieselben auch nicht erfüllen können oder wollen, doch mir deshalb Ihre Gewogenheit nicht zu entziehen. Ich bin Gatte und Vater. Ich habe 3 Söhne im Militairdienst, die meiner Unterstützung bedürfen. Ich besitze ein kleines Landgut, das ich, aus Liebe zu meinen Kindern, nicht veräußern werde, und zu dessen Verwaltung ich Leute zurücklassen muß, deren Unterhalt mir obliegt. Alle diese Umstände machen es mir unmöglich zu thun, was ich thun würde, wenn ich ein einzelner Mann wäre, und blos meiner Neigung folgen dürfte. Der Gedanke, daß man ja oft dem bloßen Schauspieler mehr zugesteht, als ich zu erhalten wünsche, läßt mich hoffen, daß man auch dem Dichter, der für Jene arbeiten muß, gern eine sorgenfreye Existenz gewähren wird.

Mit der vorzüglichsten Hochachtung und Ergebenheit habe ich die Ehre zu seyn

Ew. Hochwohlgeb.

gehorsamster Diener

A. v. Kotzebue

N. S. Sollte bey dem bevorstehenden Friedens Schluß, auch das National Theater, wie ich vermuthe, gesonnen seyn, ein frohes Fest zu feyern; so würde ich mir auch hierüber eine Nachricht ausbitten, um zeitig auf Etwas dieser Begebenheit würdiges denken zu können.

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