Ein Brief August von Kotzebues an einen Schauspieler des Deutschen Theaters zu Buda (Ofen) aus dem Jahr 1798

von | 17/09/2021

Ein Gastbeitrag von Mária Rózsa (Budapest)

Im Jahrgang 1836 der in Buda (Ofen) erscheinenden literarischen Zeitschrift Der Spiegel wurde ein Brief von August von Kotzebue, dem Starbühnenautor der Zeit abgedruckt, in dem er seine Honorarwünsche mitteilte.[1] Die Redaktion fügte die Vorbemerkung hinzu:

„Das Original des nachstehenden Briefes eines der berühmtesten deutschen dramatischen Dichters liegt vor uns, und wir theilen den Inhalt desselben, als einen Beitrag zur Geschichte des Honorars deutscher Bühnenprodukte damaliger Zeit und zugleich als Kontrast zu den Prätensionen weit minder begabter Genies unserer Zeit, in diesen Blättern mit. Auch wird der geneigte Leser daraus ersehen, wie schon damals Souffleurs, wegen Unterschleife mit Manuscripten, in üblem Geruche standen.”[2]

Anschließend wurde der Brief Kotzebues im folgenden Wortlaut zitiert:

„An Herrn Joh. Bapt. v. Schinnagl, Mitglied der Schauspieler-Gesellschaft zu Ofen

Wien, den 19. Aug. 1798

[…] Recht gern will ich in der Zukunft Ihrer Direction meine Manuscripte um den bestehenden Preis von 50 fl. überlassen, wenn ich ganz sicher bin, daß dieselben nicht aus den Händen gegeben, und auch nicht dem Souffleur anvertraut werden, ausgenommen am Abend der Vorstellung. Die Corsen[3] und üble Laune[4] könnte ich sogleich, gegen eine Anweisung auf 60 fl. überschicken, und ich werde dabei auch noch ein kleines Stück in einem Act gratis geben. […] Für die silberne Hochzeit[5] verlange ich nichts, denn die habe ich Ihnen Einmal geschenkt. Melden Sie mir gefälligst den Beschluß Ihrer Direction über mein Anerbieten.
Ihr ergebener Diener,
Kotzebue.”

Der Empfänger dieses Schreibens war Johann Baptist von Schinnaglein Schauspieler, der zu den „Veteranen” des Deutschen Theaters in Ofen zählte und noch 1812 spielte.[6] Die beiden in dem Brief erwähnten Schauspiele Kotzebues wurden jedoch aus unbekannten Gründen damals nicht aufgeführt und erst später in das Repertoire des Theateres aufgenommen.[7]

Die günstigen Vorausssetzungen für die Entwicklung der deutschsprachigen Schauspielkunst in der ungarischen Hauptstadt schufen die Reformbestrebungen Josef II. Zum historischen Hintergrund gehören folgende Tatsachen: Die wichtigsten Regierungsbehörden (die königliche Statthalterrat sowie die Hofkammer) wurden 1784 aus Preßburg nach Buda versetzt, beabsichtigt war nämlich, Pest-Ofen (ab 1873: Budapest) zur wirklichen Hauptstadt des Königreichs Ungarn zu machen. Josef II. wollte auch im Theaterleben Reforme durchführen. Buda war aber nie eine Stadt mit einem regen Theaterleben. Die Bewohner der Residenz in Ofen und die Budaer Bürger waren eher konservativ, begünstigten das häusliche Leben und praktizierten ihre Unterhaltungen (z. B. das Musizieren) bevorzugt zu Hause. „Da die Stadt Ofen aus eigenen Mitteln ein Theater zu erhalten nicht fähig war, verordnete Josef die Vereiniung des Theaterwesens beider Städte.”[8] Die erste Budaer Schaupielsätte war ein Holzbau, errichtet 1783 durch den Zimmermeister Reischl nicht weit der späteren Kettenbrücke über die Donau. Im Jahr 1787 wurde die Ofner Karmelitenkirche zu dem Festungstheater nach den Plänen von Wolfgang Kempelen umgebaut, das bis 1843 erhalten geblieben ist.

Von 1786 bis 1789 leitete das Theater Heinrich Bulla.[9] Danach, in der Eugen Busch’s Direktorenzeit (1793  ̶  1800), trat das Theater neue Wege an. „Das bürgerliche Drama und alle Traditionen des [Wiener] Burgtheaters werden verdrängt: sein Hauptaugenmerk ist darauf gerichtet, die Schaulust des Publikums zu fesseln. Soldatenstücke, Ritterdramen, Räuberstücke gehen in Scene und der Einfluss der Wiener Vorstadtbühnen beginnt.”[10] In den 1790er Jahren wurden schon Schillers Dramen („Kabale und Liebe”, „Don Carlos”) nicht mehr aufgeführt, die Bühne beherrschten das Wiener Volksstück, die Räuber- und Feenpossen und vor allem die Oper.[11]

Der Theaterdirektor Busch „sorgte vor allem für eine prachtvolle Ausstattung und die Kostüme, jedoch im Hinblick auf das Programm hat er zugelassen – insbesondere unter dem Druck der ungeregelten Kriegszeiten – dass dritt- oder viertklassige Schauspiele gespielt wurden. Es war eine Zeit der Vorherrschaft geistloser Ritterspiele, die mit dem Verfall dieses Schauspieltyps als Evokation der mittelalterlichen Thematik an der Grenze zwischen dem Barock und dem Klassizismus im Zusammenhang stand. Es haben sich auch die Wiener Volks- und Singspiele durchgesetzt […]. Erfolgreich waren auch die sogenannten Zaubermärchen mit Gesängen und Opern dieser Art. Es wurde auch Haydn gespielt, den jedoch Mozart in der Beliebtheit weit überragte. Mozart war der erfolgreichste Komponist auf den Bühnen von Pest und Ofen; allein die Zauberflöte wurde in den Jahren 1793 – 1811 hundertneununddreißigmal aufgeführt.”[12]


[1] Ein Brief Kotzebues. In: Der Spiegel für Kunst, Eleganz und Mode, Jg. 9, Nr. 73 (10. September 1836), S. 584.

[2] Ebd.

[3] August von Kotzebue, Die Corsen in Ungarn. Ein Schauspiel in vier Aufzügen. Leipzig: Paul Gotthelf Kummer, 1799. Vgl. Dazu den Artikel von Leonhard Herrmann in: Kotzebues Dramen. Ein Lexikon. Hg. v. Johannes Birgfeld, Julia Bohnengel, Alexader Košenina. Hannover: Wehrhahn, 2020, S. 39–40.

[4] August von Kotzebue, Ueble Laune. Ein Schauspiel in vier Akten. Leipzig: Paul Gotthelf Kummer, 1799. Vgl. dazu den Artikel von Kristina Schäfer in: Kotzebues Dramen. Ein Lexikon. Hg. v. Johannes Birgfeld, Julia Bohnengel, Alexader Košenina. Hannover: Wehrhahn, 2020, S. 220–221.

[5] August von Kotzebue, Die silberne Hochzeit. Ein Schauspiel in fünf Akten. Leipzig: Paul Gotthelf Kummer, 1799. Vgl. dazu den Artikel von Florian Gassner in: Kotzebues Dramen. Ein Lexikon. Hg. v. Johannes Birgfeld, Julia Bohnengel, Alexader Košenina. Hannover: Wehrhahn, 2020, S. 197–198.

[6] Bei Jolán Kádár wird er im Personal des Deutschen Theaters zu Pest als „Schienagel” erwähnt. Siehe dazu: Jolán Kádár: A pesti és budai német színészet története [Geschichte des deutschen Theaters in Pest und Ofen] 1812–1847. Budapest: Magyar Tudományos Társulatok Sajtóvállalata, 1923, S. 308. – Kádár verwendet den Namen des Schauspielers in dieser Form auch in: Jolán Kádár: A pesti és budai német színészet története [Geschichte des deutschen Theaters in Pest und Ofen] bis 1812. Budapest: Pfeifer Ferdinánd, 1914, S. 42, 62–63. Sie bemerkt, übrigens, dass die Schauspieler, unter ihnen Schienagel, der ernste Rollen spielte, sehr gut bezahlt wurden. Schienagels Honorar betrug 16 fl. pro Woche. (Kádár, 1914, Ebd., S. 62). Siehe dazu auch: Wolfgang Binal: Deutschprachiges Theater in Budapest von den Anfängen bis zum Brand des Theaters in der Wollgasse (1889). Graz-Wien-Köln: Hermann Böhlaus Nachf., 1972, S. 51, 103. – Leider sind die Lebensdaten von Johann Baptist Schienagel unbekannt.

[7] Siehe dazu: Deutsches Theater in Pest und Ofen, 1770–1850: Normativer Titelkatalog und Dokumentation. Hg. v. Hedvig Belitska-Scholtz und Olga Somorjai unter Mitarb. von Elisabeth Berczeli und Ilona Pavercsik. Budapest: Argumentum, [1995], Bd. I, S. 574, Bd. II, S. 581–1276.

[8] Jolán Kádár: A pesti és budai német színészet története [Geschichte des deutschen Theaters in Pest und Ofen] 1812–1847. Budapest: Magyar Tudományos Társulatok Sajtóvállalata, 1923, S. 288.

[9] Ebd., S. 288.

[10] Ebd., S. 289–290; Ferenc Kerényi: A vándorszínészet első szintje, az állandósulás kísérletei [Erste Stufe der wandernden Schauspielkunst, Versuche zur Stabilisierung]. In: Magyar színháztörténet [Ungarische Theatergeschichte] 1790 – 1873. Budapest: Akadémiai Kiadó 1990, S. 136.

[11] Edit Mályuszné Császár: A német színészet hazánkban [Die deutsche Schauspielkunst in Ungarn]. In: Magyar színháztörténet [Ungarische Theatergeschichte] 1790 – 1873. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1990, S. 38.

[12] Richard Pražák: Das Wirken von Frantisek Xaver Jiřík am deutschen Theater in Ofen und in Pest in den Jahren 1789–1813. <https://www.europainstitut.hu/index.php/17-begegnungen/379-begegnungen11prazak>. Zu den Dekorationen, Kostümen sowie die Theaterbibliothek siehe auch Wolfgang Binal: Deutschprachiges Theater in Budapest von den Anfängen bis zum Brand des Theaters in der Wollgasse (1889). Graz-Wien-Köln: Hermann Böhlaus Nachf., 1972, S. 55.

 

Weitere Lektüre:

Mária Rózsa, „August von Kotzebues Stücke für die Eröffnung des königlich-städtischen Theaters in Pest”

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