“Knie an Knie mit Herrn von Kotzebue” (1798)

von | 16/04/2021

Auszug aus: Franz Gräffer „Mit Herrn v. Kotzebue“, in: Ders., Wiener-Dosenstücke; nähmlich: Physiognomien, Conversationsbildchen, Auftritte, Genrescenen, Caricaturen und Dieses und Jenes, Wien und die Wiener betreffend; thatsächlich und novellistisch. Erster Theil. Wien. Mörschner’s Witwe und W. Bianchi, 1846, S. 50-55; hier S. 52-53.

DigitalisatGoogleBooks (Exemplar: Österreichische Nationalbibliothek, Wien)

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Wir fuhren also richtig den andern Tag nach Schönau, Baron Braun, Herr Geistinger und ich; aber in welcher Gesellschaft? In der Gesellschaft des Herrn v. Kotzebue. Ach! Meine Wenigkeit war ganz entzückt von einer solchen Ehre, und in der größten Verlegenheit. Ich kam gerade Herrn v. Kotzebue gegenüber zu sitzen, Knie an Knie. Im Carriere ging es zu dem uralten Kärnthnerthore hinaus; das zweyte existirte damahls noch nicht.

Herr v. Kotzebue schien mir nicht gut aufgelegt; es gab damahls schon gar viele Collisionen. Der Baron aber war außerordentlich heiter; Herr Geistinger war überschwänglich hofmännisch, und ich hatte gar nichts anderes zu thun, als mich in Acht zu nehmen, mit meinen neuen Stiefeln, die weißseidenen Strümpfe des berühmten Vis-à-Vis zu berühren. An die kleinen goldenen Schuhschnallen stieß ich wohl zuweilen, wie mit den Knien an das kurze schwarzseidene Beinkleid Herrn v. Kotzebue’s, an dem er ebenfalls kleine Goldschnallen Trug. Seine goldgestickte weißatlaßene Weste blendete mich fast; das weit herausstrotzende Jabot von so feinen Spitzen, wie jene seiner Manschetten, erfüllte mich mit Bewunderung; und was das für ein Tuch seyn müsse, aus welchem sein veilchenblauer, mit kleinen blitzenden Stahlknöpfen besetzter Frack bestand, konnte ich nicht herausbringen ; ohne Zweifel aber doch Vigogner. Die Superflus-Locken gefielen mir; mehr noch die zwey antiken Ringe, ein Geschenk des Barons , die goldene Uhrkette und das Bambusstäbchen. Das schmale weiße Halstuch mit gestickten Zipfeln goutirte ich sehr. Und so betrachtete ich den berühmten Mann in ruhigem wortlosen Anschauen, bis wir vor der Linie waren , wo endlich begonnen wurde, zu conversiren.

Herr v. Kotzebue, sonst recht gesprächig, war es dießmahl nicht. Um do lebhafter jedoch discurrirte der Baron. Er drückte unter Anderm den Wunsch aus, daß Herr v. Kotzebue die, wie man weiß, von ihm verfaßten Aufschriften im Schönauer Tempel der Nacht, vermehren möchte, und bezeichnete die Puncte. Kotzebue war recht gern bereit, wollte aber die Sache, wie als ein gleichgültiges Nebending, auf der Stelle erledigen, zog seine große Brieftasche heraus, und schrieb in der Geschwindigkeit, ohne erst nachzusinnen 5-6 kleine Verse nieder. Dann, ohne sie zu überlesen, löste er sauber das Blatt heraus und behändigte es dem überraschten Baron, der in Danksagungen zerfloß. Er wollte die Verse gleich lesen, aber bey der kleinen Schrift des Verfassers und der Dunkelheit des Wagens ging das nicht an.

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